Genfer Vereinbarungen

Genfer Vereinbarungen
Gẹnfer Vereinbarungen,
 
Sammelbezeichnung für zahlreiche multilaterale, in Genf geschlossene völkerrechtliche Verträge (Konventionen, Protokolle):
 
 1) Gẹnfer Konventionen, Rotkreuz-Konventionen, die internationale Abkommen zum Schutz der Verwundeten, Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung im Falle eines bewaffneten Konfliktes. Die auf der Anregung H. Dunants beruhende Konvention zur Verbesserung des Loses der verwundeten Soldaten der Armeen im Feld vom 22. 8. 1864, neu gefasst durch das Abkommen vom 6. 7. 1906, auf den Seekrieg ausgedehnt durch die Haager Abkommen vom 29. 7. 1899 und 18. 10. 1907, wurde nach dem Ersten Weltkrieg ersetzt durch die Genfer Konvention vom 27. 7. 1929; am selben Tage wurde eine Konvention zum Schutz der Kriegsgefangenen unterzeichnet. Das Rote Kreuz als eine internationale Organisation zum Schutz der Verwundeten und der Kriegsgefangenen erhielt durch die Genfer Konvention völkerrechtliche Sicherung. An die Stelle der früheren Vereinbarungen traten nach dem Zweiten Weltkrieg die vier Genfer Abkommen vom 12. 8. 1949 zum Schutze der Kriegsopfer, einschließlich der Zivilbevölkerung; sie sind von nahezu allen Staaten ratifiziert worden, von der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Gesammelten vom 21. 8. 1954. Sie werden ergänzt durch zwei Zusatzprotokolle vom 10. 6. 1977, die am 7. 12. 1978 in Kraft traten.
 
Die Protokolle zielen auf eine Anpassung des humanitären Völkerrechts an die Veränderungen der Kriegstechnik und die veränderten Formen der Kriegführung, auf eine Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung gegen eine »unterschiedslose Kriegführung«, besonders durch Flächenbombardements, und gegen Misshandlungen im Guerillakrieg, auf weitere Sicherung militärischer und ziviler Sanitätseinrichtungen und auf eine Fortentwicklung des humanitären Mindeststandards (Art. 3 der Genfer Konvention) bei nicht internationalen Konflikten, d. h. bei internen Feindseligkeiten kollektiven Charakters, an denen organisierte und unter verantwortlichem Kommando stehende bewaffnete Einheiten beteiligt sind, die einen Teil des Staatsgebiets kontrollieren und fortlaufende militärische Operationen durchführen. Dem I. Zusatzprotokoll gemäß soll der Schutz des Art. 3 auch bei Befreiungs- und Aufstandsaktionen gegen rassistische und kolonialistische Regierungen Anwendung finden, jedoch ist kontrovers geblieben, welche Konflikte darunter zu fassen sind.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
humanitäres Völkerrecht · Kriegsrecht · Kriegsverbrechen
 
 2) Gẹnfer Protokọlle vom 4. 10. 1922, Staatsvertrag Großbritanniens, Frankreichs, Italiens und der Tschechoslowakei mit Österreich, das sich gegen Gewährung einer Anleihe verpflichtete, seine staatliche Unabhängigkeit nicht aufzugeben. Der Ständige Internationale Gerichtshof in Den Haag erklärte die 1931 zwischen Deutschland und Österreich in Aussicht genommene Zollunion als Verstoß gegen diesen Vertrag.
 
 3) Gẹnfer Protokọll vom 2. 10. 1924, von der Völkerbundsversammlung beschlossene Empfehlung, den Angriffskrieg zu ächten und ein System kollektiven Beistands zu schaffen; es scheiterte an der Ablehnung Großbritanniens.
 
 4) Gẹnfer Protokọll vom 17. 6. 1925, von zahlreichen Staaten unterzeichnetes Abkommen über das Verbot von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Krieg.
 
 5) Gẹnfer Flüchtlingskonvention vom 28. 7. 1951, definiert den Begriff Flüchtlinge (Art. 1) und regelt deren Status. Danach richtet sich der Personalstatus eines Flüchtlings in erster Linie nach dem Recht des Landes seines Wohnsitzes (Art. 12). Bezüglich des Erwerbs von beweglichem und unbeweglichem Vermögen und in der Ausübung einer nichtselbstständigen Erwerbstätigkeit sind die Flüchtlinge den am günstigsten behandelten Ausländern gleichgestellt (Art. 13, 17). Der Zugang zu den Gerichten des Aufenthaltsstaates ist gewährleistet (Art. 16). Flüchtlinge haben Anspruch auf Ausstellung eines Reise- beziehungsweise Personalausweises durch den Aufenthaltsstaat. Eine Ausweisung oder Zurückweisung über die Grenzen eines Staates, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit wegen Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung gefährdet wäre, ist untersagt.
 
 6) Gẹnfer Seerechtskonvention, Genfer Übereinkommen über die hohe See vom 29. 4. 1958, Ergebnis der von den Vereinten Nationen einberufenen Genfer Seerechtskonferenz vom 24. 2. bis 27. 4. 1958. Weitere Ergebnisse dieser Konferenz: Übereinkommen über das Küstenmeer und die Anschlusszone, Übereinkommen über die Fischerei und die Erhaltung der lebenden Schätze des hohen Meeres und Übereinkommen über den Festlandsockel. Alle vier Konventionen wurden ersetzt durch die Seerechtskonvention vom 10. 12. 1982 (in Kraft seit 1994). (Seerecht)

Universal-Lexikon. 2012.

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